27.01.2011

Mythos Eiweiß

Der Mythos vom Eiweissmangel

Dies ist ein Mythos, der leider sogar von Ernährungsberatern mit nur oberflächlichem, rein theoretischem Wissen über die vegetarische Ernährung noch immer verbreitet wird. Deshalb findet man in vielen Büchern auch heute noch so genannte Eiweisskombinationstabellen, an die sich, gemäss dieser Theorie, die Vegetarier halten sollten, um das pflanzliche Eiweiss auf das Niveau tierischen Eiweisses aufzuwerten. Diese Vorstellung hält sich offenbar noch hartnäckiger als der Mythos vom Eisenreichtum im Spinat.


Hier die Entstehungsgeschichte des Mythos:

Er wurde mit einer Kombinationstabelle von der Autorin Frances Moore Lappe in die Welt gesetzt. Sie schrieb 1971 das bekannte und viel beachtete Buch «Diet for a Small Planet». Die Autorin hat ihren damaligen Fehler längst eingesehen und bereits in der 2. Auflage ihres Buches von 1976 korrigiert. Hier die Stellungnahme von Frau Lappe:
«1971 unterstrich ich die Wichtigkeit von Eiweissergänzungen. Ich nahm an, dass man nur ausreichend mit Eiweiss versorgt sein könne (ohne gleichzeitig zu viele Kalorien zu konsumieren), wenn man pflanzliches Eiweiss so kombiniert, dass es vom Körper wie tierisches Eiweiss verwertbar ist. Im Kampf gegen den Mythos, dass nur über Fleisch Eiweiss von hoher Qualität erhältlich ist, habe ich einen anderen Mythos geschaffen. Ich vermittelte den Eindruck, dass man bei einer fleischlosen Ernährung seine Nahrungsmittel sehr sorgfältig aussuchen muss, um genügend Eiweiss zu erhalten. Tatsächlich ist es aber viel einfacher als gedacht.»

[...]

Woher kommt der Glaube, dass tierisches Eiweiss höherwertiger sei als pflanzliches?

Immer wieder trifft man in Ernährungsbüchern Tabellen über die Wertigkeit verschiedener Eiweissarten. Dabei steht an oberster Stelle jeweils das Ei, gefolgt von den anderen tierischen Nahrungsmitteln. Woher stammt diese Tabelle?
Im Jahre 1914 machten zwei Wissenschaftler (Osborn und Mendel) Fütterungsversuche an Ratten. Dabei stellten sie fest, dass die Ratten mit Ei-Eiweiss am schnellsten an Gewicht zulegten (gefolgt von anderen tierischen Eiweissen). Wie es in der damaligen Zeit üblich war, bewerteten sie dies als sehr positiv. So kam es, dass man das Ei-Eiweiss als das beste festlegte. Obwohl ein solcher Versuch natürlich keinerlei Aussagekraft auf die gesundheitlichen Auswirkungen des Eiweisses auf Ratten (und schon gar nicht auf den Menschen) hat, bildete er die Grundlage für alle künftigen Wertigkeitstabellen.
Allerdings: Der Versuch wurde später wiederholt und weitergeführt. Das Ergebnis war, dass die Lebenserwartung der Ratten, die mit pflanzlichem Eiweiss gefüttert wurden, wesentlich höher war. Die Wertigkeitseinteilung entspricht also kaum dem Gesundheitswert des Eiweisses. Im besten Fall sagt sie aus, dass man von einem bestimmten Nahrungsmittel weniger konsumieren muss als von einem anderen, um gleichviel Körpermasse aufzubauen. Dies ist auch einfach nachzuvollziehen: Da auch der Mensch ein Tier aus Fleisch und Blut ist, entsprechen tierische Eiweisse eher dem Eiweiss, aus dem der Mensch aufgebaut ist. Deshalb enthält tierisches Eiweiss auch die optimale Zusammensetzung, wenn es darum geht, möglichst schnell viel Körpermasse aufzubauen. Dass dies jedoch nicht positiv zu bewerten ist, lässt sich aber leicht einsehen:

1. Übergewicht gilt heute weder als erstrebenswertes Ziel noch als gesundheitsfördernd.

2. Da der Mensch kein echter Fleischesser (wie z.B. eine Raubkatze) ist, fehlt ihm ein effizienter Mechanismus zur Ausscheidung grosser Mengen überschüssigen Eiweisses.


"bereits 1959 konnte man im Editorial der renommierten medizinischen Fachzeitschrift «The Lancet» lesen:
«Früher galten pflanzliche Eiweisse als zweitklassig und gegenüber dem erstklassigen tierischen Eiweiss als minderwertig. Diese Unterscheidung wurde allerdings mittlerweile revidiert.»

Später wurde diese Erkenntnis noch klarer. Beim Jahrestreffen der Amerikanischen Gesellschaft für den Fortschritt der Wissenschaften sagte der angesehene Ernährungsforscher Dr. John Scharffenberg in seinem Vortrag Anfang der 80er Jahre:
«Lassen Sie mich nochmals festhalten, dass es sogar für experimentelle Zwecke überaus schwierig ist, eine dem Kalorienbedarf eines aktiven Erwachsenen genügende Kostform zusammenzustellen, die zu einem Eiweissmangel führen könnte.»

[...]


Aber wie viel Eiweiss benötigt der Mensch eigentlich?

Diese Frage wurde im letzten Jahrhundert praktisch in jedem Jahrzehnt anders beantwortet. Doch auch wenn man nur die aktuellen Angaben berücksichtigt, erhält man je nach Organisation, welche man befragt, ganz unterschiedliche Antworten. Eines lässt sich jedoch aus den sich ständig ändernden Angaben festhalten: Die Eiweisszufuhrempfehlungen sanken in den letzten Jahrzehnten drastisch. Heute werden etwa täglich 0,8 g Eiweiss pro kg Körpergewicht empfohlen.9 Bezüglich der Konzentration des Eiweisses in der Nahrung ist es auch interessant zu wissen, dass die menschliche Muttermilch nur rund 1,2 % Eiweiss enthält (bzw. 8,1% in der Trockenmasse) und damit das im stärksten Wachstum begriffene Kind optimal versorgt ist. Zum Vergleich: Der Eiweissgehalt von Hülsenfrüchten beträgt 10–15 %. Wegen der Eiweissmenge braucht sich also niemand Sorgen zu machen. Wenn man sich zudem abwechslungsreich pflanzenbasiert ernährt, hat man auch die Sicherheit, von allen notwendigen Aminosäuren genügend zu erhalten, ohne den Körper zu belasten." ..

Quelle: http://www.vegetarismus.ch/heft/2001-4/eiweiss.htm

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